Production Level 4-Ökosystem
2022

Skillbasierte Produktion in der Production Level 4-Demonstratorlandschaft

Im April 2022 gab die SmartFactoryKL in einer Pressemitteilung bekannt, dass die erste skillbasierte Anwendung in Betrieb genommen wurde. Dieser technologische Schritt kann als Gamechanger gesehen werden. Durch den Einsatz intelligenter Softwareagenten werden völlig frei konfigurierbare Fertigungsnetzwerke mit autonomen Entscheidungsfähigkeiten ermöglicht. Damit verschieben sich die Grenzen zwischen IT und OT, die letztlich maximale Flexibilität bei 100%iger Interoperabilität ermöglichen.Um die revolutionär flexible Produktionsarchitektur weiter entwickeln zu können, wird ein Modell-LKW auf den bisher drei Produktionsinseln gefertigt. In Zukunft werden es vier sein, wie auf dem Übersichtsbild ersichtlich.
Die Produktionsinseln

Was ist eine Produktionsinsel?

Wir verstehen darunter eine modular aufgebaute Produktionseinheit, die bei uns aus (automatisierten) Modulen und Handarbeitsplätzen besteht.

_JAVA ist der erste Production Level 4-Demonstrator der Welt. Er wurde 2020 vorgestellt und produziert einen konfigurierbaren USB-Stick in Noppensteinform, der mit individuellen Daten betankt werden kann. _JAVA steht im SF-Lab.
Zukünftig wird _JAVA erweitert und dann zusätzlich Teile unseres Beispielproduktes, ein Modell-LKW, produzieren. Die um das kreisförmige Transportsystem angeordneten Module bekommen dafür zusätzliche Funktionen:

  • So wird das bisherige Modul für Lager und Montage auch für die Baugruppe 2 (Anhängeraufbau) genutzt.
  • Das Modul Qualitätskontrolle 1 wird den USB-Stick UND den Anhängeraufbau kontrollieren können.
  • Das Datenbetankungsmodul wird zusätzlich die Baugruppen 1 und 3 (Hochzeit zu Sattelschlepper) montieren können.
  • Das Qualitätsmodul 2 wird den Sattelschlepper überprüfen.
  • Eine Dockingstation dient zum Ein- und Ausschleusen von Teilen, wie bspw. die Einschleusung der Baugruppe 3 (Fahrwerk) und der Baugruppe 1 (Führerhaus) oder die Ausschleusung des Sattelschleppers.
_KUBA steht im DFKI-Lab. Um das flexible Transportsystem Acopostrac sind verschiedene Module angeordnet:
  • Über eine Dockingstation werden Sattelschlepper und Anhängeraufbau eingeschleust.
  • Ein modulares Modul druckt individuelle Anhängeraufbauten in 3D. Es ist außerdem für Montage und Demontage von Anhängeraufbauten zuständig. Zusätzlich recycelt es 3D-Druckmaterial.
  • Auf einem Handarbeitsplatz werden Anhänger und Fahrwerk zum Anhänger verheiratet. Ein Roboterarm übernimmt die Ein- und Ausschleusung.
  • Ein Roboterarm entnimmt Sattelschlepper und Anhänger, montiert sie zum fertigen LKW und schleust sie aus.
Technisches Wissen
Das Transportsystem AcoposTrak wurde für Massenproduktion und die Produktion von Losgrößen 1 entwickelt. Der AcoposTrak wird elektrisch gesteuert, wobei Produktionsströme an Weichenübergängen bei voller Geschwindigkeit getrennt werden und Produkte prozessgesteuert in Echtzeit verändert werden können. Das System ist modular aufgebaut, wobei einzelne Segmente zu einem flexiblen Design umgesetzt werden können. Produkte können mit einer Geschwindigkeit von 4 m/s und einer Beschleunigung von mehr als 5g transportiert werden. Analog zur Hardware ist auch die Software des Transportsystems modular aufgebaut. Die unterschiedlichen Shuttles lösen auf dem Assembly abhängig von ihrer Position Events aus, wodurch das Bewegungsmuster dynamisch verändert und ein reibungsloser Produktionsfluss gewährleistet wird. Shuttles können einfach eingesetzt oder entfernt werden, ohne die aktuelle Produktion nachhaltig zu stören. Entsprechend dem fähigkeitsbasierten Ansatz (skillbasierter Ansatz) stellt der AcoposTrak Skills bereit, die die Aufgabe des Transports kapseln. Das System ist von außen über eine standardisierte OPC UA Schnittstelle erreichbar. Im Falle einer Anfrage des Transportsskills, entscheidet der AcoposTrak selbständig, welches Shuttle auf dem Assembly am besten für eine Aufgabe geeignet ist und organisiert den Transport. Die Qualitätskontrolle der SmartFactoryKL bietet verschiedene Services, welche direkt auf der Edge oder über Netzwerkdienste angesprochen werden. Auf der Edge Cloud kann ein auf Basis von Federated-AI entwickelter Service genutzt werden, um über Unternehmensgrenzen hinweg zusammenarbeiten zu können, ohne die konkreten Daten zu teilen. Das funktioniert im Prinzip so: Federated Learning nutzt nur Modellparameter und keine Produktionsdaten. Alle Teilnehmenden stellen Modellparameter zur Verfügung. Daraus wird ein Durchschnitt für den Lernprozess ermittelt, das Ergebnis steht wiederum allen Teilnehmern zur Verfügung, ohne, dass Wissen übertragen wurde. Neben lokalen Services können auch Qualitäts-Services von externen Anbietern genutzt werden. Dabei wird die Kommunikation über IDS-Konnektoren abgewickelt und ist somit auch für die Verwendung in GAIA-X und dessen Datenräumen geeignet. Der Datenaustausch zwischen zwei Parteien erfolgt dabei stets ohne Intermediär, sondern direkt über die jeweiligen IDS-Konnektoren der Parteien. Die Parteien entscheiden dabei selbst darüber, wer in welchem Umfang und unter welchen Bedingungen Zugriff auf die eigenen Daten erhält. Das garantiert ein hohes Maß an Datensouveränität. Durch die Integration unterschiedlicher Services kann im Falle unzureichender Ergebnisse ein anderes Ergebnis eingeholt werden oder im Falle der Nichterreichbarkeit eines Services ein alternatives AI-Modell genutzt werden.

_MILOS steht im WSKL-Lab an der TU-Kaiserslautern und spielt im PL4-Ökosystem die Rolle eines externen Unternehmens, das über eine Datenplattform einen Auftrag annimmt. Datenplattformen spielen in unserer Vision PL4 eine zentrale Rolle, da über sie Skills (Fertigkeiten von Maschinen oder Software) angeboten und gemietet werden können. _MILOS ist die erste praktische Anwendung einer skillbasierten Produktion in Kaiserslautern.

Technisches Wissen

Skillbasierte Fertigung direkt aus einem CAD-System heraus (ohne CAM)
Auf _MILOS ist es durch seine skillbasierte Fertigungslandschaft möglich, im CAD konstruierte Bauteile ohne jegliche Erstellung von Fertigungsprogrammen (wie CAM, werkstattorientierte Programmierung, G-Code-Programmierung) ein Bauteil zu fräsen. Die Skills der Roboterzelle, die als Fräsmaschine genutzt wird, kapseln sämtliche notwendigen Entscheidungen bzgl. Werkzeugweg, Anfahrstrategie, Werkzeugwahl, Bearbeitungsparameter etc. Durch die Intelligenz der Maschine und die Kapselung der Skills ist es möglich, lediglich durch die Vorgabe der geometrischen und werkstofftechnischen Eigenschaften des Produkts den Fräsprozess auszuführen.
Im CAD-Programm ist ein eigenentwickeltes Plug-In installiert, mit dessen Hilfe die Features und Eigenschaften des Produkts extrahiert werden können. Über das Plug-In werden zunächst die einzelnen Maschinen im Maschinenpark angefragt, ob diese ein Produkt mit den vorhandenen Eigenschaften fertigen können. Die Maschinen prüfen ihrerseits die Anfrage und melden die Ergebnisse an das CAD-Plug-In zurück. Sollte das Produkt auf mindestens einer der Maschinen gemäß den Anforderungen fertigbar sein, kann der Bedienende die entsprechende Maschine auswählen und den Auftrag starten.

Auftragsfertigung via IDS-Konnektor (Schnittstelle zum europ. Datennetzwerk)
Die Produktionsinsel_MILOS ist über einen IDS-Konnektor mit der Produktionsinsel_KUBA vernetzt, und bietet ihre Fertigungskapazitäten im IDS-Netzwerk an. Kommt eine Bestellung bei _KUBA an, wird überprüft, ob alle benötigten Ressourcen zur Verfügung stehen, oder ob dafür externe Ressourcen benötigt werden. In unserem Fall kann ein zu fräsender LKW-Auflieger auf die Ressourcen der Produktionsinsel_MILOS zurückgreifen. Entscheidet sich ein Mitarbeitender für die Produktion, wird der Auftrag automatisch interpretiert und ein Produktionsplan für eine skillbasierte Fertigung erstellt. Die Produktion starte nach einem Mausklick und läuft vollkommen autonom ab.

Die Produktionsinsel_CAPRI ist noch in Planung. PRINT4PAUL (P4P) ist ein Teil von _CAPRI. Die Produktionsinsel wird aus einer Erweiterung des Industrie 4.0-Demonstrators PAUL entwickelt, der aktuell zur Veranschaulichung von Digitalisierungsprinzipien bei KMU dient. Sie wird auch eine manuelle Komponente (Handarbeitsplatz) enthalten.

Technisches Wissen

Beschreibung additiver Fertigung eines LKW-Führerhauses mittels GCode-Verfahren
Das Modul PRINT4PAUL (P4P) bietet dem Nutzer eine Produktionsstätte für additive Fertigung und stellt im Produktkomplex des Modell-LKW das Führerhaus her. Der 3D-Druckerpark bietet über einen NUC und Raspberry Pis, die jeweils mit Octoprint bestückt sind, eine umfassende webbasierte Steuerung an. Dabei können über unterschiedliche Endgeräte einfach und unkompliziert Druckaufträge über eine HMI, bzw. den globalen Produktkonfigurator von proALPHA ausgelöst werden. Es werden Führerhäuser in zwei unterschiedlichen Farben mit Featuremöglichkeiten angeboten. Dies erfolgt über ein automatisches Auftragsmanagementsystem, bei dem jeweils die gewünschten Produktfeatures mit den Druckerfähigkeiten (unterschiedlich farbiges Filament oder Bauformen) verglichen werden, und der Produktauftrag dann einem der verfügbaren Drucker zugewiesen wird. Über die HMI können Nutzer über verschiedene Rollen, zum einen als Standardnutzer oder Kunde und zum anderen als Werker:in, zugreifen. Der/die Werker:in kann mehrere Funktionen nutzen und über die HMI Lagerbestände des Filaments einsehen, sowie das Gesamtsystem und alle Drucker überwachen. PRINT4PAUL kann für jegliche Art von additiver Fertigung verwendet werden, die den Fähigkeiten der jeweiligen Drucker entsprechen (hier zweimal Prusa MK3S+). Zukünftig sollen nicht nur mittels eines vorab hinterlegten GCodes vorausgewählte Produkte additiv gefertigt werden, sondern direkt mittels Übertragung einer STL-Datei, die automatisch in einen GCode umgewandelt wird, beliebige 3D-Modelle gedruckt werden (ähnlich einem Netzwerk-Drucker auf den alle MA Zugriff haben). P4P verfügt im derzeitigen Messeaufbau über zwei 3D-Drucker. Zukünftig wird er durch ein Modul mit zwei Druckern erweitert.

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